Kürten, den 6. April 2022
Lokalredaktion Rhein-Berg von Kölner Stadtanzeiger und Bergische Landeszeitung
Sehr geehrter Herr Boelen-Theile,
hiermit wenden sich die Fraktion der Freien Wähler BfB Kürten mit einer Pressemitteilung an Sie und bittet um Berichterstattung.
Die Fraktion der Freien Wähler ist erfreut zu hören, dass das Fraktionsbündnis – wenn auch überraschend – seinen Antrag zur Einrichtung einer Stelle eines Beigeordneten zurückgezogen hat. Offensichtlich hat die Vernunft doch gesiegt. Dazu kann man nur gratulieren. Positiver Nebeneffekt ist, dass die geschätzten Mehrkosten von ca. 200 TEUR für die Stelle entfallen.
Trotz Einkehr der Vernunft muss der Prozess der Antragstellung rückblickend kritisch betrachtet werden. Bis heute ist nicht klargeworden, welchen sachlichen Mehrwert ein Beigeordneter für Kürten hätte und warum dafür eine gute Organisationstruktur geändert werden sollte. Auch kein Wort zu den damit verbundenen sozialen Härten. Hier wären ein paar Ausführungen mehr im Antrag hilfreich gewesen. Aber so werden offensichtlich Anträge gestellt, wenn man die Macht hat. Menschlichkeit und Demokratie bleiben dabei auf der Strecke.
In dem Zusammenhang ist der Antrag von Bündnis90/Die Grünen vom 3.1.2005 interessant, mit dem damals die Abschaffung der Beigeordnetenstelle gefordert wurde. Damalige Begründung: Angesichts der Finanzlage kann sich Kürten keinen Beigeordneten mehr leisten. Die Aufgaben des Beigeordneten können finanziell günstiger durch andere Mitarbeiter der Verwaltung erledigt werden. Auch die CDU hatte im Dezember 2004 einen ähnlichen Antrag gestellt. Dem Antrag von Bündnis90/Die Grüne ist der Rat am 16.2.2005 mit großer Mehrheit gefolgt. Welch ein Sinneswandel zu heute. Hat die Gemeinde Kürten jetzt Geld zu viel, dass man sich 1,6 Mio. EUR zusätzliche Personalkosten für acht Jahre ohne erkennbaren Mehrwert hätte leisten können? Manchmal möchte man die Zeit von 2014 bis 2020 zurückdrehen. In dieser Zeit haben die Fraktionen gemeinsam für Kürten mehr erreicht als nach der Kommunalwahl unter Federführung des heutigen Bündnisses.
Herr Boelen-Theile hat damals geschrieben, dass es gut für Kürten wäre, wenn mit stabilen Mehrheiten regiert würde. Das war wohl eine krasse Fehleinschätzung. Die Zeit von 2014 bis 2020 beweist das Gegenteil.
Der jetzige Antrag war bereits im Vorfeld schon von Pannen geprägt. Ursprünglich war nur ein Technischer Beigeordneter geplant. Diesen Wunsch musste dann erst die Verwaltung platzen lassen. Ohne einen regulären Beigeordneten ist ein Technischer Beigeordneter nicht möglich. Auf das Zustandekommen dieser Antragspanne möchte ich nicht näher eingehen.
Die Krönung waren dann die Ausführungen der CDU im Namen des Bündnisses in der Sitzung des HFA vom 23.3.22. Von der CDU sind wir ja in der Richtung einiges gewohnt, die FDP ist bekanntermaßen immer für Überraschungen gut, aber dass das Bündnis 90/Die Grünen sich für eine solche Vorgehensweise hergegeben hat, war dann doch für uns überraschend. Man kann nur hoffen, dass die Rede von Herrn Zähl in dieser Form nicht abgestimmt war. Wir unterstellen, dass Herr Hardt für einen Kurswechsel gesorgt hat.
Mit dieser Rede hat Herr Zähl die politische Kultur in Kürten mächtig vor die Wand gefahren. Einen dermaßen unberechtigten Angriff auf den Bürgermeister und die Verwaltung hat es in der Vergangenheit in Kürten noch nicht gegeben. Zumal in großen Teilen die Kritik an den aufgeführten Projekten unberechtigt ist oder ein Fortschritt durch das Fraktionsbündnis selbst verhindert wurde. Wenn Herr Zähl „einen gefühlten Entwicklungsstillstand“ konstatiert, sollte er sich fragen, welchen Anteil seine eigene Partei an diesem Zustand hat. Auch die Bürger wurden mit angeblich gestiegenen Beschwerden vor den Karren der CDU gespannt. Die Aussage, dass man die Sanierung der Gesamtschule vor einem Desaster bewahrt hätte, kann man nur als Verkennung der Fakten einordnen. Wir hätten es für besser gefunden, wenn man sich im Vorfeld mal an einen Tisch gesetzt hätte und die Meinungsverschiedenheiten offen ausgetauscht hätte. Eine öffentliche Entschuldigung wäre angebracht.
Wie tief muss der Stachel der verlorenen Bürgermeisterwahlen 2014 und 2020 sitzen, obwohl man beides Mal alle Direktmandate gewonnen hat. Vielleicht wäre es hilfreich gewesen, einmal intern zu überlegen, ob man eventuell zweimal den falschen Kandidaten aufgestellt hat und deshalb nicht den Bürgermeister stellen konnte. Selbsterkenntnis ist ja bekanntlich der erste Weg zur Besserung.
Und genau die verlorenen Bürgermeisterwahlen sind der Grund für die angedachte Schaffung der Beigeordnetenstelle. Damit sollte trotz aller gegenteiligen Beteuerungen mehr Macht und Einfluss im Rathaus gewonnen werden. Schließlich wird der Beigeordnete von der Politik – also mehrheitlich vom Fraktionsbündnis – gewählt. Das bedeutet in der Konsequenz „Wessen Brot ich esse, dessen Lied ich singe“. Damit wäre man endlich am Ziel gewesen und hätte auch schon die Weichen für die kommenden Wahlen stellen können. Ganz nebenbei bemerkt, ist es schon ein merkwürdiger Umgang mit der demokratischen Entscheidung der Kürtener Bürgerinnen und Bürger, die sich eindeutig für Willi Heider als Bürgermeister entschieden haben. Offensichtlich ist neben der Einkehr der Vernunft der öffentliche Druck zu groß geworden, dass man vorerst von der Beigeordnetenstelle Abstand genommen hat und jetzt nur noch eine Änderung der Verwaltungsstruktur wünscht.
Bei aller Zustimmung muss man sich jetzt trotzdem die Frage stellen, warum eine gut funktionierende Verwaltungsorganisation geändert werden soll. Die Beibehaltung der bisherigen Struktur wäre aus unserer Sicht die einfachste und beste Lösung. Aber das war wahrscheinlich mit dem Machtanspruch des Fraktionsbündnisses nicht in Einklang zu bringen. Trotz der Abkehr von der Beigeordnetenstelle will man dem Rathaus seinen Stempel aufdrücken. Sofern die Änderung der Verwaltungsstruktur mit Zustimmung des Bürgermeisters und der Verwaltung erfolgt, könnten wir uns eine Zustimmung vorstellen.
Mit freundlichen Grüßen
Werner Conrad, Fraktionsvorsitzender
Peter Buschhüter, stv. Fraktionsvorsitzender
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